Transkript anzeigen Abspielen Pausieren

Inspiration Orient

Mit Besuch der ›Ausstellung von Meisterwerken muhammedanischer Kunst‹ in München 1910 beginnt August Macke sich wie viele euro­päische Künstler:innen seiner Zeit für die arabisch­islamische Kultur, für ihre Malerei und Textilkunst zu interessieren. Der Orient wird zur Projektionsfläche seiner Paradiesvorstellungen. Ab 1912 treten orien­talische Motive vermehrt in seiner Malerei und in seinen Stickerei­ Entwürfen auf. Vor allem Liebespaare, orientalisch gekleidete und turban tragende Jünglinge sowie badende Mädchen, umgeben von üppiger Vegetation und fantastischen Tierwelten, sind typische Sujets schon vor seiner Tunisreise und verbildlichen Mackes Vision des verlorenen Paradieses.

August Macke, Badende und türkische Reiter, 1912/13

Die Darstellung des nackten Menschen in freier Natur ist seit jeher Ausdruck einer Sehnsucht nach einem Ort des ursprünglichen Lebens. Orientalische Themen kommen in August Mackes Entwürfen für Stickereien und Wandbehänge seit 1910 immer wieder vor und haben wie das Wandbild (Raum 3/1.31) das Paradies als Thema.
Die Studie Badende und türkischer Reiter legt nahe, dass auch für das im Atelier entstandene Fresko ursprünglich eine andere Anordnung der Figuren angedacht war als die heutige Darstellung der Eva. Die beiden weiblichen Akte befinden sich in einer üppigen Vegetation und richten ihre Augen auf den Reiter im Hintergrund, der aufgrund seines Turbans und der Kleidung als Orientale oder Türke gedeutet wurde.
Weibliche Akte in der Natur sind auch in den von Paul Cézanne und Paul Gauguin beeinflussten Szenen von Franz Marc zu finden. Die Künstler verabschieden sich vom anekdotenhaften Orientalismus des 19. Jahrhunderts und entwickeln ganz eigene Bildlösungen. Sie abstrahieren ihre Motive und verwandeln sie mehr und mehr in ornamentale Strukturen.

August Macke, Terrasse des Landhauses in St. Germain, 1914

Das Aquarell Terrasse des Landhauses in St. Germain entsteht im April 1914 auf der Reise August Mackes nach
Tunesien mit seinen Künstlerkollegen Paul Klee und Louis Moilliet. Auf ihrer Tour besuchen sie die Orte Tunis, Sidi-Bou-Said, Hammamet, Kairouan und St. Germain, wo die drei im Landhaus eines Schweizer Arztes wohnen.
Macke genießt die afrikanische Landschaft, das südliche Licht und die warmen Farben. Seine Impressionen wecken in ihm eine unglaubliche Arbeitslust. Da er aus praktischen Gründen nur mit Aquarell- und Zeichenmaterial reist, entstehen im Anschluss an seine Rückkehr nach Bonn weitere Werke auf Grundlage der vor Ort entstandenen Skizzen. Die finanzielle Unterstützung von 500 Mark für den zweiwöchigen Aufenthalt bekommt August Macke von Elisabeths Onkel Bernhard Koehler. Er ist Kunstsammler und Fabrikant aus Berlin und finanzierte auch frühere Reisen des Künstlers.