Elisabeth als Muse
Im Mittelpunkt von August Mackes Schaffen steht die intensive, künstlerische Auseinandersetzung mit seiner Lebensgefährtin Elisabeth Gerhardt, die er 1903 kennenlernt und 1909 heiratet. Als sein Lieblingsmodell erscheint sie als Motiv in allen seinen Schaffens phasen. Bis zu seinem frühen Tod 1914 hält der Künstler seine Frau in mehr als 200 Darstellungen fest. Wie kein anderes Bildthema begleiten diese Porträts Mackes Werk und sind sowohl quantitativ wie auch qualitativ von wesentlicher Bedeutung für die stilistische Entwicklung seiner Kunst.
August Macke, Porträtstudie Elisabeth Gerhardt (aus dem Gedächtnis), 1907
Ein Liebesverhältnis zwischen Maler und Modell. So beginnt die Beziehung von Elisabeth Gerhardt und August Macke. Das erste nähere Kennenlernen der beiden findet 1903 anlässlich einer Porträtsitzung statt. Ab diesem Zeitpunkt ist Elisabeth regelmäßig in den Werken Mackes zu sehen. Diese Porträtstudie wird von Macke aus dem Gedächtnis gemalt. Die in Rot-, Braun- und Goldtönen gestaltete Studie zeigt Elisabeth im Profil vor einer abendlichen Flusslandschaft. Die Sonne steht tief und taucht die Szene in ein angenehm warmes Licht. Im Hintergrund fährt ein Boot, dass an asiatische Kähne erinnert. Das Gewand Elisabeths ist von floralen Ornamenten geprägt. Auf dem Baum am Flussufer sitzt ein Paradiesvogel, der sich nur leicht vom Hintergrund abhebt. Diese Formelemente und Bildmotive zeigen verschiedene Einflüsse, darunter das Bildnis einer Dame von Botticelli, welches Macke im Berliner Kaiser Friedrich-Museum studieren konnte, sowie die des Jugendstils und des Japonismus. Macke besitzt selbst japanische Holzschnitte, die zu dieser Darstellung Impulse gegeben haben.
Frau in Halbfigur, 1913
Eine Frau mit Ecken und Kanten. Die Zeichnung Frau in Halbfigur ist ein Beispiel dafür, wie sich August Macke mit den unterschiedlichen Stilen seiner Zeit auseinandersetzt. Für diese Experimente sitzt, steht oder liegt Elisabeth wieder Modell für ihn. Die Porträtierte ist dem Betrachter frontal zugewandt und hält ihren rechten Arm um den Körper geschlungen. Die Formen werden auf geometrische Elemente reduziert. Dies äußert sich vor allem in der Gestaltung der Haare. Sie gleichen eher einem Helm oder einem orientalischen Schleier als einer schicken Steckfrisur. Die Gesichtszüge der Frau sind von kantigen und spitzwinkeligen Einzelformen geprägt und erinnern an traditionelle afrikanische Masken.
Seit 1912 tauchen eckig gebrochene Linien und kubistische Stilelemente in seinem Werk auf. Seine Bildschöpfungen bleiben dabei jedoch spontan und verweigern die formale Strenge, die dem Kubismus eigen ist.
August Macke, Elisabeth lesend, 1912
August Macke zeigt seine Lebensgefährtin immer wieder in alltäglichen Situationen: Elisabeth stickend, mit den gemeinsamen Söhnen spielend oder in Bücher versunken wie in der Darstellung Elisabeth lesend von 1912.
Elisabeth, die aus einer Bonner Kaufmannsfamilie stammt, ist eine gebildete Frau. Sie spricht Französisch und Italienisch, spielt Klavier, hat eine ausgebildete Stimme und ist in vielen Fachrichtungen, wie der Kunst, sehr belesen. Zudem hat sie als Mädchen die Ambition, Schriftstellerin zu werden und verfasst erste eigene Märchen sowie Gedichte.
Die Erinnerungen an August Macke, 1962 publiziert, sindursprünglich nur für ihre Kinder bestimmt und nicht zur Veröffentlichung gedacht. Posthum werden 1990 ihre Begegnungen herausgegeben und 2021 folgt die Veröffentlichung ihrer Tagebücher. Mit wenigen Ausnahmen hat sie jahrzehntelang regelmäßig ihre Gedanken zu Papier gebracht.