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Das schwarz-weiß Foto zeigt Kasper König im Profil. Er steht im weißen Museumsfoyer. Im Hintergrund sieht man einen Kamerablitz.

Unbürokratisch und großherzig.

Der Ausstellungsmacher Kasper König ist verstorben.

Neugierig umherschauend, mit Jutebeutel und einem frisch „erworbenem“ Stapel Postkarten in der Hand – so trafen die Menschen Kasper König meist in Münster an. Nun ist der 1943 im westfälischen Mettingen geborene Ausstellungsmacher mit 80 Jahren gestorben. Jede und jeder im Museumsteam hat eine Erinnerung an ihn, kennt ihn als interessierten Besucher oder weiß eine Anekdote aus dem Leben mit ihm zu erzählen. Sein Tod reißt eine nicht zu füllende Lücke, wir vermissen ihn.

Kasper König gehörte zur zweiten Generation westdeutscher Ausstellungsmacher der Nachkriegszeit, die ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Geschichte hatten. Er war vehement gegen jede Form der Bagatellisierung der Nazizeit. Dies kam auch zum Ausdruck, wenn er darüber sprach, dass man sich in Münster mit dem Wiederaufbau der Innenstadt wohl wieder im Mittelalter eingerichtet hätte.

Dass er im realen Raum etwas bewegen wollte, zeigte sich, als er 1977, als Klaus Bußmann ihn für eine Skulpturenausstellung anfragte, zusagte, den Projektbereich im Außenraum zu kuratieren. Mit Klaus Bußmann, dem damaligen Kurator und späteren Direktor am Westfälischen Landesmuseum (bis 2004) verband Kasper König nicht nur eine lebenslange Freundschaft. Die beiden standen als Triebfeder und Erfinder hinter dem Konzept der Ausstellung, die später im Zehn-Jahres-Takt als Skulptur Projekte stattfand. Dieses Konzept, das Kasper König später gegen alle Versuche, es aufzuweichen, hartnäckig und mit viel Verve gegen Vereinnahmungen aller Art vertrat, prägt die Stadt Münster nachhaltig.

Skulptur Projekte

Durch und mit Kasper König findet Auseinandersetzung mit Kunst im öffentlichen Raum seit über fünf Jahrzehnten in Münster statt: Wie aus einem Dornröschenschlaf erwacht die Bevölkerung einmal pro Dekade, unterbricht ihr westfälisches Kontinuum und wird konfrontiert mit künstlerischen Projekten, die sich teils tief ins Bewusstsein und den Alltag der Menschen eingeschrieben hat. „Offen, draußen und gratis, aber nicht umsonst“ proklamierte König die Grundidee.

Ein halbes Jahrhundert lang kuratierte er die Ausstellung mit wechselnden Kurator:innen und ermöglichte es, dass die Kunst tief in das kollektive Gedächtnis der Bevölkerung eindrang, dort ebenso Euphorie wie Empörung hinterlassend.

Internationaler Ausstellungsmacher

Kasper König lenkte als Ausstellungsmacher die Aufmerksamkeit auf wichtige Strömungen und Themen.

In New York knüpfte er in jungen Jahren Kontakte zu Claes Oldenburg und Andy Warhol, mit denen er in den 1960er Jahren Ausstellungen im Moderna Museet in Stockholm organisierte. Nach mehrjährigem Aufenthalt in den USA und einer Lehrtätigkeit in Halifax, Kanada, wurde König 1985 auf den neu gegründeten Lehrstuhl „Kunst und Öffentlichkeit an der Kunstakademie Düsseldorf berufen. Schon drei Jahre später trat er eine Professur an der Städelschule Frankfurt an, die er ab 1989 auch als Rektor leitete und dort die Ausstellungshalle Portikus gründete. Zusammen mit Laszlo Glozer organisierte er 1981 die Ausstellung „Westkunst“, eine Art Verballhornung des imperialen Begriffs „Weltkunst“; 1984 stellte er die ebenso wegweisende Ausstellung „Von hier aus“ in Düsseldorf auf die Beine. 

Von 2000 bis 2012 war Kasper König schließlich Direktor des Museums Ludwig in Köln und damit in einer Institution, deren ureigene Idee des Bewahrens eine enorme Rolle spielte. Überall, wo er tätig war, schlug sich sein Wirken in Sammlungen nieder. So auch bei den temporär angelegten Skulptur Projekten in Münster, bei denen König dem Museum als Rückgrat, Gedächtnisspeicher und Ort der Öffentlichkeit einen physischen als auch konzeptuellen Platz zugewiesen hat. Vor dieser Folie ist auch eine immense Öffentliche Sammlung entstanden, welche wie kaum irgendwo anders die Entwicklungen der Kunst abbildet. Im Bewusstsein einer klug kuratierten Sammlung begegnen die Menschen hier jedoch nicht glänzenden, protzenden Skulpturen, sondern Werken, die zu Treffpunkten geworden sind: Lagerfeuer statt Leuchttürme.

Advokat der Künstler:innen

Dabei blieb Kasper König immer ein Advokat der Künstler:innen. Nahe an der Kunst und an gesellschaftlich relevanten Fragen, riskierte er auch Streit und zitierte dann süffisant Wilhelm Busch: „Der Künstler fühlt sich stets gekränkt, wenn’s anders kommt, als wie er denkt.“

Ablehnen, Verändern, Verwerfen, Umdenken, Diskutieren, Ermöglichen waren die bestimmenden Handlungsformen, die jeweils den Weg zu den fünf von Kasper König geprägten Ausstellungen in Münster ebneten. Dies zeigt sich auch im Skulptur Projekte Archiv, das auch nicht realisierte Konzepte beherbergt. Klaus Bußmanns Weitsicht, die Akten der Ausstellung als Museumsbestand ins Depot zu nehmen, wurde von Kasper König erkannt. Seit 2007 ist der Archivbestand integraler Bestandteil der Ausstellung und seit 2017 ist das Skulptur Projekte Archiv am LWL-Museum für Kunst und Kultur für die Öffentlichkeit und die Wissenschaft offen.

Durch die Reflexion von innen wie von außen schaffte Kasper König es, der Provinzialität in Westfalen zu entkommen. Er hatte ein immenses Netzwerk und organisierte das meiste übers Telefon oder im direkten Gespräch. Konsultierte er sein persönliches Adressbuch, das wir alle liebevoll als sein selbst geklebtes Facebook kennen, lief so mancher Draht auch schon mal heiß, die Emotionen kochten, da wurde geschimpft und auch ein unwirscher Ton angeschlagen. Immer für eine richtige Sache der Kunst. Ohne Romantisierung und Beschönigung. Wiederständig, unbestechlich und eben auch humorvoll.

Mit dem Satz „In der Not ist der Mittelweg der Tod“ entzog er sich unliebsamen oder faulen Kompromissen. Und so setzte er sich auch immer wieder aktiv der Kritik aus, beispielsweise als er 2014 in Sankt Petersburg die Manifesta kuratierte und sich die Aggressionen aus Russland in der Ukraine bereits breitmachte.

Herzensangelegenheit

Kasper König war in vielen Bereichen ein Unikum. Leider auch ein aussterbendes Modell, was seine Haltung und seinen Habitus betrifft.

Ein halbes Jahrhundert lang zog es ihn immer wieder nach Westfalen, um die Skulptur Projekte und die Stadt Münster zu kuratieren. Niemand hat im Bereich der Gegenwartskunst so kontinuierlich und mit so gezielten Brüchen Kunstgeschichte geschrieben. Für Kasper König waren die Skulptur Projekte eine Herzensangelegenheit. Und er war sich auch sicher, dass ohne Skepsis und Autonomie und ohne angstfrei zu sein, diese sofort vergeigt werden können.

Kasper König sprach immer davon, dass die Beschäftigung mit Kunst ein Trost sein kann. Ein Aufruf, mit dem ein Kapitel zu Ende geht und mit dem wir als Museumsteam um diesen unbürokratischen und großherzigen Menschen trauern.

Marianne Wagner