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Das Bild zeigt den Lichthof vor 1945. Foto: LWL

Die Anfänge: Von Bürgersinn und Sammelleidenschaften

Sowohl der Westfälische Kunstverein, gegründet 1831, als auch der Verein für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, Abteilung Münster, von 1825, hatten sich nach den großen politischen Umbrüchen um 1800, besonders der Französischen Revolution und den ihr folgenden Eroberungskriegen Napoleons, dem Retten und Bewahren von kulturellen Gütern verschrieben. Der Westfälische Kunstverein sammelte vor allem christliche Kunst aus westfälischen Kirchen und Klöstern, die nach der Säkularisation aus ihrem alten Funktionszusammenhang herausgelöst worden war, machte Ausstellungen neuer Kunst und zeigte Gipsabgüsse von Antiken sowie rund 80 Depotbilder italienischer Renaissancemalerei der Berliner Museen. Die Sammlung des Altertumsvereins bestand vor allem aus archäologischen Funden, Münzen, Büchern, Karten und anderen landesgeschichtlichen Dokumenten. Das Ziel ein Museum zu bauen hatten sich beide Vereine bereits mit ihrer Gründung auf die Fahnen geschrieben. Damit lagen sie im Trend der Zeit, denn die preußische Kulturpolitik forderte seit 1815 aktiv die Gründung vaterländischer Museen.

Im Januar 1836 eröffnete der Kunstverein mit staatlicher Hilfe sein Museum im „Stadtkeller“ am Prinzipalmarkt / Ecke Clemensstraße in Münster, wo zeitweise auch der Altertumsverein Gastrecht hatte. Von 1839 bis 1856 betrieb der Kunstverein hier auch eine Zeichenschule für Künstler. Mit der Unterstützung des 1872 gegründeten Provinzialvereins für Wissenschaft und Kunst, in dem die staatliche Kulturförderung gebündelt wurde, gelang es schließlich, den Neubau eines größeren Museums zu realisieren.

Der Altbau um 1920. Foto: LWL 1908 bis 1933: Landesmuseum für die Provinz Westfalen

Am Domplatz, mitten im Stadtzentrum von Münster, wurde am 17. März 1908 die Eröffnung des Landesmuseums für die Provinz Westfalen gefeiert. Das Gebäude im Stil der Neorenaissance, der heutige Altbau des Museums, nahm die Sammlungen des Kunstvereins und des Altertumsvereins auf. Pro Jahr wurden hier zwei große Sonderausstellungen gezeigt, im Wechsel organisiert durch das Museum und den Westfälischen Kunstverein, der bis heute Hausrecht im Museum genießt.

Der Bau von 1908.

Insgesamt hatten die Planungs-, Bau- und Einrichtungsphasen sieben Jahre gedauert. Der damalige Träger des Museums, der Westfälische Provinzialverband, hatte in seinen Vorgaben für den Architekturwettbewerb bereits klare Vorstellungen vom Aussehen des neuen Gebäudes formuliert. In den Entwurfsbedingungen aus dem Jahr 1902 heißt es: „Die Stilformen sollten sich den in Münster an historischen Bauten vorherrschenden mittelalterlichen oder Renaissance-Formen anschließen“. Der ausgeführte Entwurf stammt von dem Architekten Hermann Schaedtler aus Hannover. Der Treppengiebel an der Nordwest-Fassade, der die Architektur der Häuser am Prinzipalmarkt auf markante Weise aufgriff, ist im Zweiten Weltkrieg bedauerlicherweise zerstört worden.

Der Neubau war der Ort, wo westfälische kulturelle Identität anschaulich werden sollte, auch bei Veranstaltungen: Schon vor der Eröffnung des Museums war der Lichthof im Jahr 1907 als nun repräsentativster Ort der Provinzialhauptstadt Münster Schauplatz für ein besonderes Ereignis: Am 31. August wurde hier das offizielle Bankett aus Anlass des Besuchs Kaiser Wilhelms II. ausgerichtet.

Die ersten Sonderausstellungen im neuen Museum waren am Puls der Zeit: Gründungsdirektor Adolf Brüning (im Amt von 1905 bis 1910), der zuvor am Berliner Kunstgewerbemuseum gearbeitet hatte, erwarb im Mai 1908 aus einer Verkaufsausstellung des Kunstvereins Gemälde von Emil Nolde und Max Slevogt. Er holte 1909 eine Gemäldeausstellung mit Bildern des französischen Impressionismus nach Münster. Im Winter 1911/1912 zeigte der Kunstverein eine Ausstellung mit Werken von Alexej von Jawlensky und Franz Marc – beide Maler waren 1912 an der Gründung der Künstlervereinigung Blauer Reiter in München beteiligt. Im folgenden Winter lud man Künstler der Wiener und der Münchener Sezession ein.

Von 1910 bis 1934 war Max Geisberg Direktor des Landesmuseums. Er war Spezialist für ältere Kunst und hielt sich in Bezug auf seine Ankaufspolitik an die Zielsetzung, besonders Kunst und Künstler aus Westfalen zu sammeln. In den 1920er Jahren wurden daher insbesondere Werke von Künstlern wie Wilhelm Morgner, Peter August Böckstiegel, Eberhard Viegener sowie von Paula Modersohn-Becker und ihrem westfälischen Ehemann Otto Modersohn angekauft.

Zum 1. Juli 1934 wurde Max Geisberg nach langjähriger erfolgreicher Arbeit für kunsthistorische Forschungen freigestellt und aus seinem Amt entlassen, da er sich für die nationalsozialistische Museumspolitik nicht einspannen ließ.

1933 bis 1945: Strukturelle Innenschau unter nationalsozialistischer Kulturpolitik

Innenschau unter nationalsozialistischer Kulturpolitik

Am Beginn dieser Phase stand eine Umstrukturierung. Die bereits 1925 ausgelagerten prähistorischen Sammlungen wurden 1934 auch organisatorisch abgekoppelt – in den Räumen der ehemaligen Domschule befand sich nun das „Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte“ (seit 2003: LWL-Museum für Archäologie in Herne). Das Museum am Domplatz wurde umbenannt in „Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte der Provinz Westfalen“. Um mehr Platz für die Sammlung und die Sonderausstellungen zu gewinnen, wurde unter dem neuen Direktor Robert Nissen (im Amt von 1934 bis 1939) das „Haus an der Rothenburg“ angemietet. Hier fanden in der Folgezeit die Sonderausstellungen statt. 1937 eröffnete man den neuen Gebäudeteil mit der Ausstellung „Westfalens Beitrag zur deutschen Kunst der Gegenwart“.

Im Vergleich zu anderen Museen, die konsequent die Moderne gesammelt hatten, war das Landesmuseum in geringerem Maße durch Konfiszierungen der Nationalsozialisten betroffen, doch wurden auch hier laut den Notizen im Inventarbuch 41 Werke, andere Unterlagen nennen die Zahl von rund 90 Werken, beschlagnahmt, unter anderen von Christian Rohlfs, Peter August Böckstiegel, Otto Pankok, Eberhard Viegener und Karel Niestrath. Aus der Sammlung des Kunstvereins konnten mehrere gefährdete Kunstwerke gerettet werden, indem die Vorstandsmitglieder sie in ihren Privatwohnungen aufbewahrten, darunter ein Pastell von Lovis Corinth.

Erstaunlich ist, dass trotz der Restriktionen vom Landesmuseum noch Werke verfemter Künstler angekauft werden konnten: Nachdem Robert Nissen 1939 zum Kriegsdienst eingezogen wurde, leitete der Provinzialkonservator Wilhelm Rave kommissarisch das Museum. Dieser entschied sich 1943 für den Ankauf von zwei Büsten des Hagener Bildhauers Karel Niestrath, die den verfemten Maler Christian Rohlfs und den als Mitverschwörer des Attentats vom 20. Juli 1944 hingerichteten Ferdinand von Lüninck, ehemals Oberpräsident der Provinz Westfalen, darstellten.

In den Jahren von 1933 bis 1945 hat man sich den neuen Strukturen angepasst, die von der Kulturabteilung des Provinzialverbandes angeordnet wurden. So kümmerte man sich vor allem um die ministeriell verordnete Umstrukturierung und Neuordnung der Sammlungen und die Umsetzung vorgegebener Leitlinien in der Kunstdidaktik. Aufgrund dieser Forderungen wurde der wissenschaftliche Mitarbeiterstab um drei Stellen erweitert. Die Sonderausstellungen hatten mit Themen wie „Das deutsche Danzig“ (1937) dezidiert eine politische und ideologische Intention. Im Frühherbst 1942 wurde im Lichthof eine Ausstellung mit Beutewaffen gezeigt, die innerhalb weniger Wochen 60.000 Besucher sahen.

1941 wurde das Museum zum ersten Mal von einer Bombe getroffen. Unter Mitarbeit von Max Geisberg wurden die Sammlungen daraufhin ausgelagert und auf 14 verschiedene Orte, zumeist westfälische Schlösser, verteilt. Die Verluste von Kunstwerken und kulturgeschichtlichen Objekten war so glücklicherweise sehr gering, die Nebengebäude wie etwa das „Haus an der Rothenburg“ wurden im Krieg jedoch völlig zerstört, ebenso das Dach und weitere Teile des Museumsbaus am Domplatz. Nach dem Krieg musste man daher zunächst in und mit einem Provisorium arbeiten.

Die Bombenschäden aus Sicht der Lambertikirche. 1945 bis 1974: Wiederaufbau, neue Sammlungsschwerpunkte und der Blick nach vorn

Der Wiederaufbau des Altbaus und die Restaurierung von kriegsbedingten Schäden an den Werken dauerten zwei Jahre. Museumsdirektor Walther Greischel (im Amt von 1946 bis 1954) bewirkte eine Neuorientierung der Sammlungsschwerpunkte. Zunächst tätigte er Ankäufe von deutschen Künstlern des 19. Jahrhunderts, konzentrierte sich dann aber in den 1950er Jahren auf den Ausbau der „Galerie der Moderne“, in die besonders spätexpressionistische Werke zuvor verfemter Künstler Eingang fanden. In einem programmatischen Aufsatz von 1954 bezeichnete er es als „eine Aktion der Gerechtigkeit, […] überall Ausstellungen der Werke der jahrelang Verfemten und Angeprangerten“ zu zeigen. Zudem hob er die Beschränkung der Ankaufspolitik auf westfälische Künstler auf. Vielmehr ging es Greischel nun darum, die vorhandene Sammlung zu kontextualisieren und damit einem der Universitätsstadt Münster entsprechenden, umfassenden Bildungsauftrag nachzukommen.

1974 bis 2009: Auf dem Weg zur internationalen Bedeutung

Anfang der 1960er Jahre wurde beschlossen, dem Museum einen zeitgemäßen Erweiterungsbau anzufügen. Dieser konnte 1974 eröffnet werden. Seine markante Architektur nach einem Entwurf des Architekten Hans Spiertz prägte über 30 Jahre lang das Bild von Münsters Stadtmitte.

Unter dem Direktor Prof. Dr. Paul Pieper (im Amt von 1972 bis 1977) wurden mit Ankäufen von Werken von Kurt Schwitters, Otto Dix, Max Ernst, Paul Klee, Oskar Schlemmer, Hans Arp oder Wols Lücken in der Sammlung des 20. Jahrhunderts geschlossen. So konnten im Sammlungsrundgang nach und nach die Verbindungslinien zwischen älteren und neuesten künstlerischen Tendenzen immer besser veranschaulicht werden. 1980 konnte das Porträtarchiv Diepenbroick mit über 100.000 graphischen Bildnissen erworben werden, weltweit eine der größten Sammlungen ihrer Art. Unter Pieper und seinem Nachfolger, dem Numismatiker und Historiker Prof. Dr. Peter Berghaus (im Amt von 1977 bis 1984), erreichte das Landesmuseum – bei freiem Eintritt – mit Besucherzahlen von jährlich 250.000 bis zu 350.000 Besuchern und großen Ausstellungen wie „Johann Conrad Schlaun“ (1973), „Stilleben“ (1979), „Köln – Westfalen 1180–1980“ oder „Die Tunisreise. Klee, Macke, Moillet“ (1982) sehr große Resonanz.

Mit der ersten Ausgabe der Skulptur Projekte 1977 wurden die Grenzen des Museumsraumes in Frage gestellt und zugleich ein neuer Sammlungsbereich eröffnet. Die Ausstellung wurde initiiert von Prof. Dr. Klaus Bußmann, damals Referent für moderne Kunst und von 1985 bis 2004 Direktor des Landesmuseums. Gemeinsam mit Kasper König, zuletzt Direktor des Museum Ludwig in Köln, hat er die Skulptur Projekte zur international bedeutsamsten Ausstellung für Kunst im öffentlichen Raum gemacht.

Mit den großen Lichthofinstallationen wurde das Thema der ortsspezifischen Arbeiten und der zeitgenössischen Skulptur konsequent auch im Innenraum des Landesmuseums fortgeführt. Eine Lichthofinstallation entwickelten bereits so wichtige und namhafte Künstler wie Daniel Buren, Ellsworth Kelly, Carl Andre, Maria Nordmann, Rainer Ruthenbeck oder Rachel Whiteread.

Die August Macke-Ausstellung von 1987 hat mit ihren über 400.000 Besuchern das Phänomen der erfolgreichen Sonderausstellungen mitbegründet. Die Retrospektive des amerikanischen Malers Ellsworth Kelly, die Münster 1992 in Kooperation mit dem Centre Pompidou in Paris und der National Gallery in Washington erarbeitet hat, wurde in den Medien als ein hervorragendes Beispiel für internationale Kooperationen gewürdigt. Auch das Großprojekt der 26. Europaratsausstellung „1648. Krieg und Frieden in Europa“ anlässlich des 350-jährigen Jubiläums des Westfälischen Friedens oder die Ausstellung „Orte der Sehnsucht – Mit Künstlern auf Reisen“ im Jahr 2008 zum 100-jährigen Bestehen des Museums waren wahre Besuchermagnete.

Die Ausstellung „Goldene Pracht“ im Jahr 2012, in Zusammenarbeit mit dem Bistum Münster und dem Exzellenzcluster Religion und Politik der Westfälischen Wilhelms Universität entstanden, leistete einen wichtigen Beitrag für die Erforschung Westfalens im Mittelalter und zeigte die herausragende Qualität der einheimischen Goldschmiedekunst.

Seit 2004 ist Dr. Hermann Arnhold Direktor des LWL-Museums für Kunst und Kultur, wie es seit 2013 offiziell heißt. Unter seiner Leitung begeht das Museum den nächsten großen Schritt in die Zukunft: Der Erweiterungsbau aus den 1970er Jahren wurde im Jahr 2009 abgerissen, da er stark sanierungsbedürftig war. Nach einem Entwurf des Berliner Architekten Volker Staab entsteht nun ein neues Museum.

Der Neubau von 2014.

Im September 2014 eröffnete der Neubau des LWL-Museums für Kunst und Kultur mit einer neuen Sammlungspräsentation und einem durchgehenden chronologischen Rundgang. Werke aus 1000 Jahren Kunst- und Kulturgeschichte können dann den heutigen Anforderungen entsprechend und zukunftsorientiert gezeigt werden. Lange nicht gesehene Schätze warten darauf, von den Besuchern entdeckt zu werden. Neu verfasste Sammlungstexte, ein Multimediaguide und spannende Vermittlungskonzepte lassen die Sammlungen lebendig werden und machen den Besuch zu einem Erlebnis für alle Sinne.