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Georg Tuxhorn (1903–1941), Baltin, o. J. (um 1927/29)

Das Kunstwerk des Monats

Seit 1978 stellen wir jeden Monat eine Arbeit aus unserer Sammlung vor. Das Kunstwerk des Monats ist im Foyer des Museums am Eingang Pferdegasse ausgestellt. Das Kunstwerk des Monats September 2023 ist ein Gemälde des Bielefelder Künstlers Georg Tuxhorn (1903 – 1941) mit dem Titel "Baltin" (um 1927/29).

Georg Tuxhorn – Eine Wiederentdeckung

Kunstwerk des Monats ist das Porträt "Baltin" von Georg Tuxhorn (1903 – 1941)

Das Landesmuseum für die Provinz Westfalen erwarb 1929 das Gemälde Baltin von Georg Tuxhorn aus der „Dritten Großen Westfälischen Kunstausstellung“, die vom 28. April bis 28. Mai 1929 in der Stadthalle in Münster stattfand. Das kleinformatige Bild fällt vor allem durch seine flächige Farbigkeit und durch die kantigen, fast maskulinen Züge der Dargestellten auf, und auch die deutlich sichtbare Bleistiftvorzeichnung unterstützt den Eindruck des Eckigen, des wenig Femininen. Die ausdrucksstarken, dunkelbraunen Augen und der rote Mund dominieren das Gesicht, das helle, rosige Inkarnat kontrastiert mit dem braunroten Hintergrund und bringt die Haut zum Leuchten. Auch wenn das zurückgekämmte Haar die Figur bewusst männlich erscheinen lässt, handelt es sich doch um das Porträt einer modernen, selbstbewussten Frau, gemalt im kühlen, beobachtenden Stil der Neuen Sachlichkeit.

Das Porträt der Baltin besticht zwar noch durch seine Farbigkeit, ist jedoch in einem sachlicheren, realistischen Stil ausgeführt. Tuxhorn hat hier ein klares Bildkonzept und eine objektivierte Darstellungsweise gefunden: Es wirkt nüchtern, da der Künstler auf jede Emotion verzichtet. ‚Klar‘, ‚sachlich‘ und ‚objektiv‘ sind Begriffe, die nun im Kontext von Tuxhorns Bildnissen fallen.

Über die Porträtierte ist bis auf den Namen nichts und über den Künstler nur wenig bekannt. Erst die Schenkung einer Zeichnung aus dem Nachlass des Künstlers an das LWL-Museum für Kunst und Kultur 2022 (Abb. 1) gab Aufschluss über die Identität. Durch die charakteristischen Züge der Dargestellten, die sowohl dem Gemälde als auch der Zeichnung eignen, ist die Beziehung der Studie, auf deren Rückseite der Name „Gertrude Sempff“ handschriftlich vermerkt ist, zu dem Gemälde eindeutig gegeben. Woher Tuxhorn die offensichtlich aus dem Baltikum stammende Frau – so zumindest der Titel – kannte, ist bisher noch nicht bekannt.

Doch wer war Georg Tuxhorn? Über den Künstler existieren nur wenige Angaben. Erst seit einer Ausstellung im Museum Peter August Böckstiegel in Werther 2016 erfährt sein Werk wieder mehr Aufmerksamkeit, und die umfangreiche, rund 400 Werke umfassende Schenkung, die die Familie des Künstlers 2022 der Peter-August-Böckstiegel-Stiftung machte, markiert den Beginn einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Künstler. Aus seiner früheren Zeit hat Tuxhorn nicht nur selbst Werke zerstört, auch durch den Zweiten Weltkrieg erfuhr sein OEuvre einige Verluste.

Tuxhorn, geboren 1903 in Bielefeld-Brackwede, gilt als wichtiger Vertreter der Bielefelder Moderne. 1919 ging Georg an die Bielefelder Handwerker- und Kunstgewerbeschule, um bei Ludwig Godewols (1870–1926) seine künstlerische Ausbildung zu beginnen. Godewols, aufgeschlossen für die Moderne, trug maßgeblich dazu bei, dass die Bielefelder Schule zu einem Ort des modernen Kunstschaffens wurde.

Tuxhorn begann sein Studium in einer Zeit der Umbrüche. Das Ende der Monarchie 1918 bot neue und bisher nicht gekannte Möglichkeiten, grundlegende politische, soziale und auch kulturelle Änderungen einzufordern und aktiv mitzugestalten. Im April 1921 wechselte Tuxhorn an die Kunstakademie in Dresden und folgte damit seinem Vorbild, dem aus dem nahe Bielefeld gelegenen Arrode stammenden Peter August Böckstiegel (1889–1951). Als Meisterschüler bei Gussmann hatte Tuxhorn sein Atelier neben dem von Böckstiegel und von Otto Dix (1891–1969). Zusammen mit Böckstiegel, Victor Tuxhorn und Heinz Lewerenz (1890–1939) bildete er eine kleine Gruppe Bielefelder Schüler in Dresden. Aus dieser Zeit sind Zeichnungen, Radierungen und einige expressiv gearbeitete Holzschnitte erhalten, die zum Teil an den Stil von Kokoschka erinnern. Immer wieder hat Tuxhorn auch Dresden und die nähere Umgebung in seinen Werken festgehalten.

Aufgrund der Inflation und der damit verbundenen schwierigen finanziellen Situation kehrte Tuxhorn 1923 nach Bielefeld zurück und begann, seine Werke bekannt zu machen. 1924 hatte er seine erste Einzelausstellung in der Galerie von Otto Fischer. Über Tuxhorns Einzelausstellung 1924 urteilte ein Kritiker: „Tuxhorn ist ein Werdender, ein mit sich Ringender, der den zwar deutlich spürbaren Einflüssen seiner Lehrer und Vorbilder eine im Grund doch wenig schmiegsame, weil eigenwüchsige und bodenständige Natur von westfälischer Schwere und Festigkeit des Umrisses entgegenzustellen hat. Deutlich ist auch der Einfluss von Kokoschka und Nolde. Die Entwicklung des Künstlers wird am deutlichsten in seinen Selbstbildnissen“ (Hav[ekost] 1924).

Bis 1927 studierte er an der Kunstakademie Düsseldorf Malerei an der Kunstakademie und ging in die Klassen von Jan Thorn-Prikker (1868–1932), einem der wichtigsten Glasmaler der Moderne, und Heinrich Nauen (1880–1940). Tuxhorn schätzte die zu dieser Zeit von vielen Kunstakademien verfolgte Idee, die Künste unter der Führung der Architektur zu vereinen. So hoffte er, in Düsseldorf ein breites Spektrum an für ihn neuen künstlerischen Techniken zu erlernen.

Zurück in Bielefeld, führte Tuxhorn mehrere Aufträge aus, etwa Glasfenster und Mosaike für Kirchen sowie für andere öffentliche wie private Auftraggeber – ein Hauptwerk ist das große Chormosaik in der Bielefelder Süsterkirche von 1929. Nach dem Studium in Dresden und Düsseldorf galt Tuxhorn als förderungswürdiges Nachwuchstalent, so dass der Westfälische Provinzialverband ab 1926 auf den „Großen Westfälischen Kunstausstellungen“ Arbeiten von ihm ankaufte. Diese Werke wurden später an das Landesmuseum übergeben, so dass das heutige LWL-Museum für Kunst und Kultur vier Werke Georg Tuxhorns aus den späten 1920er und frühen 1930er Jahren besitzt; dazu kam 2022 die Studie zu der Baltin.

Wie viele seiner Kolleg:innen war Tuxhorn im Reichsverband Bildender Künstler organisiert und muss, da der Verband 1934 gleichgeschaltet wurde und in der Reichskulturkammer aufging, ab 1934 darin Mitglied geworden sein. Nur wenig ist bisher dazu bekannt, aber der Künstler blieb bis zu seinem frühen Tod 1941 infolge der Krebserkrankung als freischaffender Künstler aktiv.

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Nachfolgend finden Sie eine Auswahl an Kunstwerken des Monats chronologisch sortiert von 2023 bis 2000. Die nicht verlinkten Kunstwerke können aus urheberrechtlichen Gründen nicht zum Download bereitgestellt werden.

2020

Dezember
Robert Weise, Kinder unter dem Weihnachtsbaum, 1905

November
Carl Busch, Flüchtlinge, 1941

Oktober
Sean Scully, Coin Stack, 2018

September
Alexander Adriaenssen, Fischstillleben

August
Melchior Lechter, „Tristan und Isolde“-Fenster, 1896

Juli
Hermann Stenner, Bildnis Itten, 1913

Juni
Kurt Löb, Buchillustration und Buchgestaltung zu Arthur Schnitzler, Reidans, 1982

Mai
Annelise Kretschmer, Frau mit Hut, 1930

April
Hans Makart, Der Tod der Kleopatra, um 1875

März
Dominique Gonzalez-Foerster, Roman de Münster, 2007: Fragmente eines Werkes

Februar
Gerhard Barnstorff, Schattenrisse Göttinger Studenten, um 1775/78

Januar
Claes Oldenburg, Where the Collision Ocurred between the Slice of Bread and the Stick of Butter, June 1, 1987 at 8:15, 1987

2015

Dezember
William Hogarth, The Reward of Cruelty, 1751

November
Prunkkassette der Familien von Adelsheim und Landschad von Steinach, 1597

Oktober
Melchior Lechter, Plakat für die „Grosse Berliner Kunstausstellung“, 1897

September
Martin Engelbrecht, Jeremias Wachsmuth, Guckkasten-Diorama: Pandurenschau, um 1740

August
Thorsten Brinkmann, Bertha von Schwarzflug, 2010

Juli
Schmuckanhänger mit Aureus, 201 n. Chr.

Juni
Dávid Mária Kiss, Triptychon, „Traum der Unruhigen“, 1964

Mai
Figürliche Reliefs aus der St. Mauritzkirche in Münster, um 1080/90

April
Katinka Bock, Trostpfützen, 2010

März
Arman (Armand Fernandez), Tamerlan’s Memorial, 1961

Februar
David Hockney, Artist and Model, 1974

Januar
Brustkreuz mit Rubinen und Diamanten, um 1672

2014

Dezember
Otto Mueller, Badende, 1913

November
Henry Moore, Two Reclining Figures, 1980

Oktober
Maria von einer Verkündigungsgruppe, Flandern, um 1480

September
Ludwig Hohlwein, Innenraumplakat für Leibniz-Keks, 1914/1915

2013

Von Januar 2013 bis August 2014 wurde die Vorstellung eines Kunstwerks des Monats ausgesetzt.